Rebekka empfiehlt

Belletristikhighlights vom April

Stichworte:

Belletristik, Krimi, Thriller,

02. Mai 2018

Puh, der April hatte es in sich! Sonnige Nachmittage, laue Abende im Garten, blühende Obstbäume und kaum Regen. Eigentlich ungewöhnlich und dem Lesen nicht förderlich, muss man sich doch um Blumenschnitt und Aussaat kümmern, den Frühjahrsputz erledigen und eigentlich draußen ganz viel Zeit verbringen. In der Hängematte, am Besten. Mit kalter Limonade und einem guten Buch. Die Neuerscheinungen aus März und April hatten tolles zu bieten: Den Wiener Raunzer, den doppelten Krimi, die überdramatische Coming-of-Age Story und last but not least die durchgeknallte KI. Also zurücklehnen, Sonnenbrille auf und das Wetter genießen…

In „Der Lügenpresser“ verliebt sich ein Altjournalist in eine jüngere Frau, die Sonja, die ihm ja ach so gut tut. Karl Schmied weiß ja auch gar so viel über die Welt und die Politik und überhaupt. Nur die Kollegen in der Redaktion, der Onliner und die Klugscheißerin, die haben keine Ahnung von irgendwas. Alles muss immer schneller und mit Content und und und. Dass nur Papier das Wahre ist, das weiß der Karl natürlich auch. Und dass er und seine Zeitung so manchem Politiker an die Spitze oder halt eben nicht verholfen haben ist eh klar.
Für Freunde des trockenen Wiener Humors ist das Buch eine runde Sach‘, für die, die es noch werden wollen, ein guter Einstieg. Hasskommentare und Statistik und dazwischen das Aufwachsen im Gemeindebau, herrlich Wienerisch!

Für die, die mit Herrn Karl nichts (mehr) anfangen können, gibt es von Matthew Quick „Schildkrötenwege oder wie ich beschloss, alles anders zu machen„. Das Buch erzählt die Geschichte von Nanette, die im letzten Highschooljahr ist und von ihrem Lieblingslehrer das Buch „Der Kaugummikiller“ geschenkt bekommt. Komplett begeistert schwärmt sie für den Protagonisten, liest das Buch immer wieder und lernt auch den Autor kennen, der ihr allerdings verbietet, mit ihm über das Buch zu diskutieren. Über ihn lernt sie dann auch Alex kennen, der seinerseits Buch und Autor vergöttert. Es kommt wie es kommen muss, die beiden verlieben sich, wollen aber sicher nicht so sein wie alle anderen. Dann muss Alex den Helden spielen und Nanette stürzt in eine tiefe Depression.
Wer sich gerne zurück erinnert, wie schwierig es war, ein Teenager zu sein oder wer sich selbst in dieser komplizierten Phase befindet, wird sich sehr gut mit Nanette und ihren Problemen identifizieren können. In dieser Zeit, in der ein Drama schnell einmal dramatischer ist, als es von außen scheint.

Anthony Horowitz ist vielen bekannt von der Buchreihe um Alex Rider, einer Art jugendlichem James Bond. Sein letztes Buch „Die Morde von Pye Hall“ ist allerdings eher für Fans von Hercule Poirot und Miss Marple. Die Lektorin Susan Ryeland liest zu Beginn des Buches das von Autor Alan Conway zur Verfügung gestellte Manuskript seines letzten Buches. Das ist schon eine Besonderheit für den Leser, denn wir lesen direkt mit. „Morde von Pye Hall“ heißt Conways neuster Roman, indem der deutschstämmige Detektiv Atticus Pünd den Mord an der Haushälterin von Pye Hall zuerst nicht und dann doch aufklärt. Doch kurz vor dem Whodunnit endet das Manuskript. Nun beginnt der reale Mordfall, denn anscheinend wurde Conway umgebracht, noch bevor er das Manuskript beenden konnte. Susan Ryeland muss nun selbst ermitteln um herauszufinden, wie „Morde von Pye Hall“ endet.
Großartig, witzig und spannend bis zum Ende, das irgendwie dazu verleitet, das ganze Buch noch einmal zu lesen.

Und nun zu meinem Favorit der letzten Wochen: „Die Tyrannei des Schmetterlings“ von Frank Schätzing. Eigentlich fristet Undersheriff Luther Opoku ein beschauliches Dasein in Sierra Nevada: Hin und wieder verschwindet eine Katze oder er muss sich um Kneipenschlägereien kümmern, nichts Großartiges also. Als allerdings eine tote Frau in einem Canyon gefunden wird, muss er erkennen, dass seine Welt nicht so einfach funktioniert, wie es bisher den Anschein hatte. Denn in der Farm, einer Expositur des Technikkonzerns Nordvisk werden unglaubliche Experimente mit ARES, einer superintelligenten KI durchgeführt.

Sprachlich bedient sich Frank Schätzing aus dem vollen Topf des deutschen Wortschatzes, seine Charaktere sind durchwegs sympathisch und vielschichtig und die Geschichte entfaltet sich mit jedem Umblättern einer Seite in höhere Sphären, ohne dabei an Spannung zu verlieren. „Die Tyrannei des Schmetterlings“ ist ein sehr gut recherchierter Science-Fiction-Thriller, der seines gleichen sucht.

Und was lese ich im Mai? Nachdem ich mir bei Frank Schätzing die Fingernägel wund gebissen habe, werde ich mich mit Terry Pratchetts „Die Nomen“ entspannen… Denn das schöne Wetter vom April werden wir unter Umständen mit einem nassen Mai büßen müssen. Oder nicht?

Die Morde von Pye Hall
Anthony Horowitz

Schildkrötenwege
Matthew Quick

Der Lügenpresser
Livia Klingl

Die Nomen
Terry Prachett