Die Gründe, aus denen ich Buchhändlerin wurde:

Die Mischung macht's

Die meisten von uns Buchhändlern haben die unerlässliche Fähigkeit, mehr als ein Buch gleichzeitig zu lesen. Bei mir sind es derzeit vier:

Hades von Candice Fox lese ich um die Reihe zu testen. Sehr spannend, ein bisschen grauslich und eigentlich viel zu klischeehaft um gut zu sein. Trotzdem ein Pageturner und unterhaltsam. Zwei Kinder werden so gut wie tot zu Hades, dem Unterweltmacher gebracht, um sie los zu werden. Der zieht die beiden als seine Kinder auf. Und als Killer, was ein wenig seltsam ist, aber sei‘s drum. Die beiden werden Polizisten bei der Mordkommission. Was braucht man mehr zu sagen?

Guerilla Marketing des 21. Jahrhunderts von Levinson ist da schon anspruchsvoller. Hauptsächlich lese ich es, weil mich das Thema interessiert. Für Jungunternehmer ist das Buch ein gutes Werkzeug um Werbung günstig und einfach umzusetzen und in den Köpfen der Menschen zu bleiben.

The Woman in the Window ist ein Thriller von A. J. Finn und dreht sich um eine Frau, die ihr Haus nicht verlassen kann. Allerdings kennt sie alle ihre Nachbarn sehr genau. Über das Internet und durch ihre Kamera beobachtet sie das tägliche Leben der Familien um sie, bis sie einen Überfall beobachtet, der anscheinend nie passiert ist. Erinnert mich ein bisschen an „Das Fenster zum Hof“, das Buch fesselt trotzdem, weil es auch im Leben der Protagonistin einiges gibt, das man aufdecken will.

Und dann lese ich noch Petra Hartliebs Wenn es Frühling wird in Wien. Ein Schmankerl für mich, habe ich doch 9 Jahre in Wien gelebt und kenne Petra auch persönlich. Das Buch ist wie eine Praline, eigentlich will man gar nicht weiterlesen, weil es dann zu schnell vorbei ist. Trotz der Tragödie, die im Buch passiert, bleibt es irgendwo locker und luftig und hinterlässt ein angenehmes Gefühl. Eigentlich schade, dass ich schon fast damit durch bin.

Die Mischung lässt vielleicht schon meine Vorlieben durchblicken. Ich mag Thriller, bei dem es einem die Haare aufstellt und die man kaum aus der Hand legen kann, genauso kann ich mich für interessante Sachbücher erwärmen. Dass ich jemals einen Liebesroman mit Blumen auf dem Einband in die Hand nehmen würde, hätte ich bis zu Wenn es Frühling wird in Wien nie gedacht. Schön, dass ich es trotzdem getan habe.

Bücher zu Serien, Serien zu Büchern

Ich liebe es, nach einem langen Arbeitstag zur Abwechslung nicht nach einem Buch sondern zur Fernbedienung zu greifen. Wie viele Menschen meiner Generation, bin ich ein Serienjunkie. Ich muss gewisse Serien gesehen haben und erwarte gespannt die neuen Staffeln. Game of Thrones zum Beispiel, die Buchserie Das Lied von Eis und Feuer habe ich selbst nie gelesen. Die Game-of-Thrones-Abende mit meinen Freunden wurden dafür regelrecht zelebriert. Es gab meistens eine riesige Platte mit Spießen oder Braten und Gemüse, das Bier wurde aus Tonbechern getrunken und mit bis zu 20 Freunden wurde mit Jon Schnee mitgelitten. Für mich persönlich besser, wie jedes Fußballspiel.

Für The Walking Dead konnte ich mich allerdings nicht erwärmen. Als Comicfan kenne ich zwar die Geschichte, allerdings habe ich die Serie nie gesehen. Aber ich habe mich aufgrund eines YT-Videos in Negan verguckt. Und das nicht nur, weil der Schauspieler zuvor bei Greys Anatomy ein Love Interest war. (Was ich ehrlich gesagt nie gesehen habe, Arztserien interessieren mich nicht.)

Dann gibt es da bei Netflix eine neue Serie, die mich fesselt: Mindhunter. Nach dem Buch von John E. Douglas erzählt die Serie über das Werden des Profiling beim FBI. Die beiden Hauptcharaktere sind sehr sympathisch, wenn auch ein wenig verschroben. Genau das macht den Charme der Serie aus: Das Spiel zwischen dem eher grünschnabeligen Agent, der die psychologische Seite der Verbrecher versucht zu analysieren und somit den Grundsatz „Der Täter wird böse geboren“ versucht zu durchbrechen und seinem Partner, der sich als Berater bei der Polizei eigentlich ein ruhiges Leben machen will, ist einfach herrlich.

Wer es lieber ein bisschen blutiger mag, dem sei Preacher ans Herz gelegt. Ein Priester, der von einer übernatürlichen Macht beseelt ist, und sich gemeinsam mit seiner schussbereiten Freundin und seinem Vampirfreund auf die Suche nach Gott macht. Schon der Comic ist herrlich und die Serie macht was ganz wunderbares: Sie erzählt dieselbe Geschichte, aber anders, sodass man beides genießen kann, ohne sich selbst zu spoilern.

Und dann ist da noch Stranger Things. Keine Buchvorlage, keine Comicvorlage, einfach eine großartige Idee der Zwillinge Matt und Ross Duffer. Wer Stephen King gerne liest, es liebt, sich ein bisschen zu gruseln und sich noch erinnern kann, wie es ist, ein Kind zu sein, wird nicht aufhören können, die beiden bisher erschienen Staffeln durchzusehen und dann wie ich nägelkauend auf die nächste Staffel zu warten.

 

Terry Pratchett - Mein alltime Favorite!

Warum nur einzelne Bücher vorstellen, wenn man eine ganze Reihe vorstellen kann?

Die Scheibenwelt ist flach, ruht auf dem Rücken von vier Elefanten, die ihrerseits auf einer gigantischen Schildkröte mit Namen „Groß A’tuin“ stehen, welche durchs All treibt. Das Licht auf der Scheibenwelt bewegt sich sehr langsam, die Bewohner sind Menschen wie du und ich.

Da verwundert es nicht, dass sich auf der Scheibenwelt Kriminalgeschichten, Romanzen und Royale Dramen gleichermaßen abspielen wie auf unserem kugelrunden Gegenpart. Dass es hier hin und wieder auch zu Treffen mit Drachen, Hexen und Zauberern kommt, fällt dabei gar nicht auf.

Sir Terry Pratchett hat bis zu seinem Tod 41 Romane verfasst, die sich grob in sechs bis sieben Kategorien einteilen lassen. So ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei. Ich persönlich bin ein großer Fan der Wachenromane, mit der Hauptfigur Kommandant Sam Mumm (zu Englisch: Commander Sam Vimes), der nach jedem Mordfall, den die Wache zu klären hat, befördert wird. Seine Frau, Sybil Käsedick, Erbin einer reichen Adelsfamilie, die auch ein Tierheim für Drachen unterhält, steht im stets mit Rat und Tat zur Seite. Die restlichen Mitglieder der Wache sind allesamt liebenswerte Charaktere. Sei es Fred Colon, der seltsamerweise in jedem Buch kurz vor der Pensionierung steht oder Leutnant Karotte, der als Mensch von 1,95 Meter Körpergröße von Zwergen aufgezogen wurde und ein sehr verdächtiges Muttermal in Form einer Krone hat. Die Kriminalfälle sind spannend geschrieben, es werden natürlich viele Klischees bedient, was aber gerade im Stil des Autors noch zusätzliche Lacher hervorruft.

Eine weitere Reihe, die ich liebe, ist die der Hexengeschichten. Hier werden Oper, Theater und Märchen durch den Kakao gezogen, vor allem, weil die Romane immer aus Sicht der drei Hexen erzählt werden. Hier sind es immer die Drei: Die Mutter, Nanny Ogg, die auf eine wilde Jugend zurückblicken kann. Sie hatte auch mehrere Ehemänner, mit manchen war sie sogar verheiratet. Die Jungfrau, die anfangs von Margrat Knoblauch verkörpert wird, einer jungen Hexe, die eine sehr romantisierte Haltung zum Hexendasein hat. Für sie wird der Begriff „Jungfrau“ nach ihrer Hochzeit und Schwangerschaft ziemlich gedehnt. Die dritte im Bund ist Oma Wetterwachs. Eine sehr mächtige Hexe. Stets schlecht gelaunt ist sie die inoffizielle Anführerin aller Hexen. (Obwohl es bei Hexen natürlich keine Hierarchie gibt. Aber gäbe es eine, wäre Oma Wetterwachs die unangefochtene Anführerin.) Meiner Meinung nach gehören alle drei Charaktere zum Urbild der Hexen, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht so wirken.

Eigentlich könnte ich mich jetzt noch über die Zaubererromane (nicht so mein Fall), die Tod-Geschichten (ganz großes Kino!) oder die Romane, die einzeln stehen auslassen, aber ich möchte noch eine ganz speziell erwähnen:

Die Tiffany-Weh-Romane. Diese sind als Jugendbücher konzipiert, die Hauptrolle spielt Tiffany, ein junges Mädchen, das im Kreideland lebt. Die Anlehnung an Schottland ist nicht rein zufällig, treiben sich dort ja auch die von Kopf bis Fuß tätowierten „Wir-Sind-die-Größten!“ herumtreiben: Kleine, raufende, saufende, stehlende Männchen, die von einer Kelda angeführt werden. In den Englischen Ausgaben sind sie oft sehr schwer zu verstehen, da sie einen starken Schottischen Akzent sprechen, der in den Deutschen Übersetzungen leider verloren geht. Tiffany verteidigt in den ersten vier Büchern „ihr“ Kreideland gegen die Königin der Feen und den Winter selbst, bevor sie am Ende die ganze Scheibenwelt retten muss. Der letzte Band war für mich ein rührendes Erlebnis. Ganz zu Beginn gibt es einen Dialog zwischen einer Figur (dich ich persönlich sehr liebe) und dem Tod, das ich als Sir Terry Pratchetts eigenes Gespräch mit ebendiesem halte. Die Tatsache, dass „Die Krone des Schäfers“ sein letztes Buch vor seinem (ein wenig mysteriösen) Tod war, spricht sehr dafür. Selbst während ich das hier schreibe, habe ich einen Kloß im Hals.

Ich empfehle für Einsteiger den Kombinationsband „Die Farben der Magie/ Das Licht der Fantasie“, seine ersten beiden Bücher. Natürlich ist es nicht notwendig, die Bände in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung zu lesen! Deshalb hier meine Top 5 der Scheibenwelt-Romane:

  1. Die Krone des Schäfers
  2. Lords und Ladies
  3. Die Nachtwächter
  4. Weiberregiment
  5. Der Zeitdieb

 

Graphic Novels - Eine Klasse für sich

Graphic Novels sind der neue „Geile Scheiß“ auf dem Buchmarkt des deutschsprachigen Raums. Während die Franzosen, Italiener und Spanier schon längst die Vorteile von gezeichneten Erwachsenenromanen erkannt haben, hinken Deutschland und Österreich hinterher. Wohl durch die Mangawelle der frühen Nullerjahre ausgelöst entwickelt sich die Graphic Novel aber langsam zum Seller. Woher aber genau kommt denn der Begriff „Graphic Novel“? Der Comiczeichner Will Eisner begründete mit dem Begriff, dass seine Serie „The Spirit“ (erschienen in den 1940er Jahren) sehr wohl Literatur und kein bloßer Schund ist. Mit seiner ersten offiziellen Graphic Novel „Ein Vertrag mit Gott“ prägte er dann den Begriff wie kein anderer. 2018 erscheint dann sein Buch „Comics als erzählende Kunst“ auf Deutsch.

Damit habe ich euch genau gar nicht erklärt, was genau der Begriff „Graphic Novel“ bedeutet. Kann ich auch nicht und ich habe aus meiner Lektüre verschiedener Werke gelernt, dass das niemand so richtig kann. Scott McCloud versucht es zumindest in „Comics richtig lesen“, einer Graphic Novel über Comics.

Grundlegend lässt sich sagen: Alles, was Text und Bild enthält ist Comic, das schließt im weitesten Sinne auch das Bilderbuch mit ein. Die Grenzen werden im Gestalterischen gezogen und verschwimmen je nach Meinung. Hier mehr in die Tiefe zu gehen, würde den Rahmen sprengen, allerdings gibt inzwischen genügend Sekundärliteratur zum Thema, wie „Die Sprache des Comics“ von Ole Frahm oder „Der Comic. Geschichte, Stile, Künstler“ von Klaus Schikowski.

Wenn wir einen ganz einfachen Strich ziehen wollen, sind Graphic Novels Romane in Comicform. Ob diese ernsthaft, biografisch, amüsant oder gehaltvoll sind, hängt vom jeweilige Autor bzw. Schreiber (nicht jeder macht dies in Personalunion) ab.

Ich persönlich bin über den Begriff erst gestolpert, als ich schon einige Graphic Novels gelesen hatte. Erst mit Maus von Art Spiegelmann entdeckte ich diese eigene Klasse der Gattung Buch. Maus selbst ist eine dramatische Geschichte. Art Spiegelmann erzählt die Erlebnisse seines Vaters vor und während des 2. Weltkriegs. Die Nazis sind Katzen, die Mäuse die Juden und das es sich hier nicht um leichte Kost handelt ist spätestens jetzt klar. Am Ende des ersten Teils musste ich einen Tag Pause machen, da er mich so mit genommen hatte.

Weitaus amüsanter kommt da schon der einzige österreichische Comiczeichner, der davon leben kann rüber. Mit Titeln wie „Mein Therapeut ist ein Psycho!“, „Die Goldgruber Chroniken“ oder „Franz Kafkas nonstop Lachmaschine“ bietet Nicolas Mahler intelligenten Humor, abseits der allseits bekannten Cartoons, die schon fast inflationär in den verschiedensten Zeitungen gedruckt werden. Und wenn es doch etwas ernster werden darf, hat Nicolas noch Thomas Bernhards „Alte Meister“ und „Der Weltverbesserer“ oder auch Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ grafisch umgesetzt.

Weltliteratur als Graphic Novel hat auch Flix verfasst, ein Berliner Künstler, der seine Diplomprüfung als Comic gestaltete und mit Bravour bestand. (Diese ist unter dem Titel „Held“ erschienen und handelt von seinem Leben bis zur Diplomprüfung und darüber hinaus.) Neben Faust, Don Quijote und Münchhausen hat er auch „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens und Gullivers Reisen zu Papier und Bild gebracht. Seine Zeichnungen scheinen oft simpel und einfach, werden aber mit aktuellerem Datum immer detaillierter und aufwendiger. Mir persönlich gefällt sein Sammelband „Schöne Töchter“ derzeit am Besten. Die Seiten erschienen in den vergangenen Jahren in der FAZ und beschreiben Frauen in Situationen und Frauensituationen. Flix ist Vater einer Tochter und hat vor Kurzem seine FAZ-Serie „Glückskind“ ebenfalls als Sammelband veröffentlicht.

Natürlich könnte ich mich jetzt noch weiter über die wunderbare Vielfalt des Comics bzw. der Graphic Novel auslassen, dazu ist aber auch später noch Zeit. Vielleicht machen wir einmal einen Ausflug zu den oben angesprochenen Franzosen, Italienern und Spaniern?